Gräberfeld

Gräberfeld sowjetischer Naziopfer in Bremen-Oslebshausen #Reitbrake

Die Bürgerinitiative zur Stärkung der Wohn- und Lebensqualität in Oslebshausen und das Bremer Friedensforum haben anlässlich des heutigen Holocaust-Gedenktages einen offenen Brief an alle Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft verfasst, den Ihr hier nachlesen könnt. Es geht um die mangelhafte historische Aufarbeitung rund um die Zwangsarbeiterproblematik in der Grambker Schleife!

OFFENER BRIEF - ZUM TAG DES GEDENKENS AN DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS

Sehr geehrte Abgeordnete,

am 27. Januar ist Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Wie an vielen anderen Tagen der vergangenen zwei Jahre möchten wir Sie auch anlässlich dieses Gedenktages an die Verbrechen des NS-Regimes im Bremer Westen und anderen Teilen der Stadt erinnern.

Es reicht unseres Erachtens nicht, für ein Foto mit einem Schild "we remember" oder "nie wieder" zu posieren. Wir brauchen eine aufrichtige und mahnende Gedenkarbeit - und endlich eine faktenbasierte Debatte in der Bremischen Bürgerschaft.

Die Umstände des Umgangs mit dem sogenannten "Russenfriedhof" zeigen, wie zaghaft Bremen bislang mit dem Friedhof und dessen Geschichte umgegangen ist:

  • die Einrichtung des sogenannten "Russenfriedhofs" durch den Bremer NS-Bausenator Fischer bei "Nacht und Nebel" aufgrund einer rassistischen NS-Ideologie,- der Einsatz von kranken und ausgemergelten sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern im Straßen- und Bunkerbau für den "Unternehmer" Bremen - von denen mindestens 371 binnen weniger Wochen dem Fleckfieber erlagen,

  • die Bestattung zum Teil in Massengräbern,

  • das Überdecken des gesamten Friedhofs mit Kriegsschutt,

  • die Teilexhumierung bei der mindestens die nachgewiesenen 66 Leichname vergessen wurden,

  • das Auseinanderreißen der teil-verwesten Leichname und der Verlust der Identifizierbarkeit der Kriegstoten unter Missachtung des internationalen humanitären Völkerrechts,

  • das "Wegbaggern" eines Teils der sterblichen Überreste in den 1970er Jahren auf der Nordflanke des Areals,

  • das politische Negieren der hier noch verbliebenen sterblichen Überreste in den 1990ern,

  • die u.U. wieder unvollständigen archäologischen Grabungen in den Jahren 2021 bis 2022,

  • die weiterhin bestehende Absicht, hier eine Bahnwerkstatt für das Nachfolgeunternehmen des Nazi-Profiteurs Linke-Hoffmann-Werke und anderer deutscher Schienenfahrzeughersteller zu bewilligen.


Die archäologischen Grabungen wurden nun beendet. Die Ergebnisse sind erschreckend und zeigen die Defizite Bremer Politik und Verwaltung in den vergangenen sieben Jahrzehnten im Umgang mit diesem Areal auf: mehrere Massengräber, 66 vollständige Skelette, eine bislang ungenannte Anzahl von Schädeln und Brustkörben, über 20.000 Knochen und Knochenteile und über 200 Erkennungsmarken.
Angesichts dieser erschreckenden Funde, sind wir irritiert, dass es bis zum heutigen Tage keine öffentliche an die Opfer und ihre Angehörigen gerichtete Entschuldigung des Bremer Senats und der Bremischen Bürgerschaft gibt.

Wir sind weiterhin der Auffassung, dass eine parlamentarische Debatte zum Thema des sogenannten "Russenfriedhofs" und des zukünftigen Umgangs mit diesem authentischen Ort, der im Kontext der größten Ansammlung von Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagern in Bremen steht, ein wichtiger Beitrag für eine demokratische Willensbildung gewesen wäre.

Hier hätten die Abgeordneten allein ihrem Gewissen verpflichtet und von jeglichem Fraktionszwang befreit debattieren können. Es hätte eine parlamentarische Sternstunde für Bremens Hohes Haus und die freiheitliche Demokratie werden können.

Wir bedauern, dass der Bremer Senat, die Bremische Bürgerschaft und die demokratischen Parteien diese Chance für die parlamentarischen Sitzungen im Vorfeld zum diesjährigen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus nicht ergriffen haben.

Gegenwärtig ist in der Debatte auch nicht erkennbar, dass der Bremer Senat hier eine umfassende Aufarbeitung der Geschehnisse einleiten wird. Man denkt offenbar daran, eine bloße Gedenktafel auf dem Areal des Zwangsarbeiterfriedhofs aufzustellen. Wir halten dies - unabhängig von der Frage der Bebauung des Geländes mit einer Bahnwerkstatt - für bei weitem nicht ausreichend.

Hochachtungsvoll

Dieter Winge/BI Oslebshausen Ekkehard Lentz/Bremer Friedensforum
Erstellt am: 29.01.2023
10:14:57
Newsletter
Soziale Netzwerke